Die Saga der Winterrache

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Teil 1 von 4 der Hintergrundgeschichte von Mîrhaven

Nun schon fünfzig Jahre folgten die Menschen Nomaden den Wildpferden und deren Wanderrouten. Die Horde setzte sich zusammen aus Klans aus aller Herren Länder, welche auf der Insel gestrandet waren. Sie überwinterten am Ufer des Glanzsees nahe Elboria und im Frühling, mit den ersten Knospen, folgten sie den Wildpferden entlang des Silberwaldes bis zur Adlerküste.

Auf einer Anhöhe am Fuße des Westgebirges, entzogen den Blicken, lag ein weiblicher Silberdrache und beobachtete Jahr ein Jahr aus die Wanderungen der Wildpferde und die ihnen folgenden Menschen. So fiel ihr eines Tages ein junger Mann auf, der gerade ein wildes Pferd zureiten wollte. Wohl kannte sie den Hengst, er war von ungezügeltem Temperament. Sicher würde der Mensch den wilden Schwarzen nie zähmen können. Erstaunt beobachtete sie mit wachem Blick, welche Geduld der Mann mit dem Pferd hatte. Er war anders als die anderen Menschen. Doch irgendwann waren die Pferde und auch die Menschen ihren Blicken entschwunden.

Erst im darauf folgenden Jahr sah sie den jungen Mann wieder. Stolz ritt er auf dem Pferd. Bei diesem Anblick musste sie entzückt schmunzeln. Ihre Neugier übermannte sie und so verwandelte sich in eine anmutige Frau, um ihn besser aus nächster Nähe zu beobachten. Hinter einer Hecke versuchte sie sich zu verstecken. Der junge Mann entdeckte sie zu ihrer Überraschung trotzdem. Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln und lief davon. Doch er holte sie mit seinem Pferd ein. Fasziniert von der Schönheit der Frau starrte er sie wie hypnotisiert an. Sie kicherte kurz, dann fragte sie in der Handelssprache nach seinem Namen. Etwas stotternd sprach er seinen Namen Tomik aus. Ornocuir dachte sich schnell einen menschlichen Namen aus und nannte sich ab dann Silberwind. Diese Begegnung war nur von kurzer Dauer, da die Menschen zusammen mit den Pferden wiederum weiter zogen.

Ein weiteres Jahr verging, Zeit in der Silberwind sehnsüchtig auf die Herden der Wildpferde und dem ihnen folgen den menschlichen Volk wartete. Tomik beschloss, dieses Jahr bei der geheimnisvollen Frau zu bleiben. Sein Volk verfluchte Silberwind als weiße Hexe, da sie ihnen den besten Kämpfer und Reiter genommen hatte. Verbittert und im Streit verließ er sein Volk und errichtete am Fuße der Winterrache eine Hütte. Die Jahre vergingen und Silberwind schenkte Tomik einen Sohn. Erst kurz vor der Geburt erfuhr er von der wahren Gestalt von Silberwind, doch seine Liebe zu ihr überwog alles andere.

Weitere Jahre vergingen und ihr Sohn, dem sie den Namen Loial gaben, wuchs zu einem kräftigen Halbdrachen heran. Zu seinem ersten Jagdausflug schenke Ornocuir aus ihrer geheimen Schatzkammer ihrem Sohn ein uraltes Artefakt in Form eines Amulettes. Mit diesem konnte er permanent einen großen, weißen und mächtigen Tiger beschwören.

Gegen Ende eines Winters saßen Tomik und Loial auf einer Anhöhe des Berges und beobachteten das Eintreffen der ersten Wildpferde aus dem Norden. Doch irgendwas stimmte nicht. Die Pferde liefen in vollem Galopp und ängstliches Wiehern erfüllte die Ebene. Tomik richtete sich auf und erblickte am Horizont einen riesigen Roten Wyrm, der gerade in der Luft ein Pferd in zwei Teile riss. Unweit des Ungeheuers sah er die Krieger seines Volkes, die mit Bögen vergebens nach ihm schossen. Tomik befahl seinem Sohn, nach Hause zu laufen, um seine Mutter zu Hilfe zu holen. Er selbst sprang auf sein Pferd und galoppierte im rasenden Tempo die Anhöhe hinab in Richtung des Wyrms.

Als Ornocuir mit ihrem Sohn herbeieilte, bot sich ihnen ein Bild des Grauens. Der Rote Drache saß auf dem Boden und um ihn herum lagen unzählige Körper toter menschlicher Krieger und Pferde. In diesem Augenblick sahen sie beide, wie eine riesige Klaue sich in Tomiks Brust bohrte. Mit einem Aufschrei des Verzweifelns wandelte Ornocuir ihre Form und stürzte sich voller Wut als Silberdrache auf die rote Bestie. Es entbrannte ein heftiger Kampf zwischen den beiden Giganten. Loial betrachtete wie gelähmt seinen toten Vater. Währenddessen trug seine Mutter einen verbitterten Kampf gegen den roten Wyrm aus. Mit Tränen in den Augen schrie der Halbdrache verzweifelt auf. Doch dann verfinsterte sich sein Gesicht. Er rannte so schnell er konnte in die geheime Schatzkammer seiner Mutter und suchte nach einem bestimmten Artefakt, vor dem er mehrmals gewarnt wurde. Doch diesmal schlug er all dies in den Wind. Er fand die faustgroße Kugel in einer Kiste und rannte zurück zum Schlachtfeld.

Mit einem verzweifelten Brüllen richtete Loial das Artefakt auf den Roten Drachen und aktivierte es. Die schwarze Kugel leuchtete auf und sendete gleichzeitig zwei Strahlen aus. Ein roter Strahl traf Loial selber, ein schwarzer Strahl hingegen den Roten Wyrm. Man konnte zusehen wie der rote Strahl Loial förmlich jegliche Lebenskraft entzog und damit den schwarzen Strahl nährte, der pulsierend auf den Roten Wyrm einwirkte. Beide verkrampften und brüllten vor Schmerzen. Der Rote Wyrm wurde innerhalb weniger Sekunden zu Staub verwandelt und Loial verlor das Bewusstsein. Die schwarze Kugel war mit seiner rechten Hand verschmolzen.

Völlig erschöpft und schwer verletzt packte Ornocuir den toten Tomik und ihren Sohn und brachte sie in ihre Höhle. Vergeblich versuchte sie mit Hilfe eines Artefaktes Tomik zurück ins Leben zu holen, doch es war zu spät. Lediglich ein kleiner Lichtblitz entwich dem toten Körper von Tomik. Diesen fing sie mit Hilfe eines Kristalls auf. Dann blickte sie zu ihrem Sohn und erkannte erst jetzt, was er für ein Artefakt benutzt hatte. Sie nahm die Gestalt von Silberwind an und schlug aus Wut einige Male auf die Brust ihres Sohnes. Kurz darauf senkte sie weinend ihren Kopf. Drei Tage später vergrub sie Tomik in der Nähe der Quelle des Lebensflusses und legte dort den Kristall auf sein Grab.

Der Stein sandte ein leises trauriges Echo ab. Das Echo von Tomiks Seele war für die Ewigkeit in ihm gefangen. Stetig pulsierend fielen einige Tropfen von ihm herab. Der Kristall hörte nicht auf zu tropfen und immer wieder hörte Silberwind die weinende Seele ihres Mannes. Verbittert wandte sie sich ihrem Sohn zu. Das Artefakt hatte fast seine komplette Lebensenergie entzogen und sie wusste, wenn er erwacht, würde er dem Wahnsinn verfallen. So befahl Silberwind dem Tiger, ihren Sohn zu verstecken und zu bewachen. Daraufhin schleppte der Gefährte seinen bewusstlosen Herren fort. Voller Trauer und Schmerzen zog sich Silberwind zurück in ihre Höhle.

Der Rote Drache war besiegt und nur noch wenige Wildpferde streiften ziellos umher. Als die Frauen, die alten Männer und Kinder das Schlachtfeld betraten, brach ein Geschrei und Geheule auf. Die meisten Krieger waren tot. Dem Volk fehlte es an Kraft, mit den wenigen Wildpferden die Wanderungen wieder aufzunehmen. So beschlossen sie eine kleine Siedlung am Lebensfluss zu gründen. Einige Jahre vergingen und durch den Kristall von Tomik entstand ein ganzer See. Die Menschen domestizierten die restlichen Wildpferde und fanden zu neuer Kraft. Wegen der Schlacht am Fuß des Berges gaben sie ihm den Namen Winterrache. Einige glaubten, es war eine Strafe der Götter und erbauten aus Furcht vor weiterem Zorn einige Tempel.

Jahrhunderte vergingen und das kleine Fischerdorf wuchs zu einer Stadt heran. Die Menschen fanden zu neuer Kultur und pflegten den Handel mit allen Völkern von Amdir. In letzter Zeit fanden einige Menschen auf einem Gipfel große Katzenspuren im Schnee und ein paar Kinder behaupten, eine unbekannte und weinende Frau am Ufer des Sees gesehen zu haben.


Fortsetzung der Chronik - Teil 2: Die Himmelsfrucht