Im Zeichen der Schlange: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 26. April 2021, 02:08 Uhr

Teil 4 von 4 der Hintergrundgeschichte von Mîrhaven


Es war ein vorgetäuschter Sturm, welcher die Küstenblüte zum Welken brachte und die hervorgebrachten Austriebe von innen heraus verfaulen ließ. Der erste natürliche Frühling wird zeigen, ob sie sich jemals davon erholen wird oder einem kräftigeren Spross weichen muss. Kaum jemand der damaligen Verteidiger im Jahre 1074 hatte die ungewöhnlich heißen Mittsommertage vergessen. Die vielen Wochen, die es gedauert hatte, bis der erste Regentropfen den westlichen Landteil von seiner tropischen Trockenheit befreien konnte. Und welche Laune der Götter auch hinter der kurzen Dürrezeit gesteckt haben mochte, so schien sie mit dem plötzlichen Abbruch der Belagerung und der schwindenden Springflut von Goblinoiden ein Ende zu nehmen.

So unerklärlich der Rückzug der kleinen pelzigen Kreaturen für die meisten Bürger der Stadt auch gewesen war, so vermochte die Himmelsfrucht nicht auf Dauer die Erinnerungen und Ängste der Belagerung und die Trauer über den Verlust der Gefallenen aus den Gedanken der Bewohner Mirhavens zu bannen. Viele Gesichter hatte der Kriegsschauplatz verschluckt und man hatte schlussendlich vermutet, dass sie von den Goblinoiden verschleppt worden waren. Alles war wie der Schauplatz eines Theaterstückes, welches man nicht mehr zu Ende sehen konnte, weil jemand den Vorhang vor den zweiten Akt geschoben hatte. Und so schlummerte die Angst tief vergraben und wiegte die Seele in Sorglosigkeit bis zu ihrem Erwachen.

In den folgenden Jahren des Aufblühens der Stadt nach der Belagerung, veränderte sich ihr Antlitz grundlegend. Bettler, Tagelöhner und Kranke verschwanden langsam aus den dreckigen Gassen, Tempel und andere große Gebäude wurden errichtet und der Handel mit den benachbarten Völkern blühte. Die Bedrohung der Handelsrouten durch den Silberwald hatte sich mit dem Rückzug der Goblinoiden jedoch verschlimmert, die nicht mehr länger die Grenzen ihrer Territorien überschritten.

Und dann war da noch ein Fremder, ein Mann aus dem Osten namens Suhrad Afassar. Mit geschickter Zunge und günstigen Diensten war sein Nutzen für die Stadt bereits während der Belagerung bewiesen, so dass er und die Schar Bettler, die er um sich gehäuft hatte, weiter geduldet, schon fast als selbstverständlich betrachtet wurden. Die „Lumpengarde“, wie der Volksmund sie schimpfte. Niemanden interessierte dabei die Beweggründe des fast immer verhüllten, hageren Mannes, der auch nach der Belagerung zu bleiben schien und wie sie alle die schwierige Zeit Mirhavens mit ihnen überlebt hatte. Dennoch blieb er in den meisten Augen nicht zuletzt aufgrund seines heruntergekommenen, schmutzigen Erscheinungsbildes ein einfacher Bettler mit dem niemand über seinesgleichen etwas zu tun haben wollte.

Noch ehe die Stadt den Gipfel ihres Wachstums erfuhr, waren die Lumpenträger in ihren grauen Mänteln ein gewohntes Bild in den Abendstunden der Stadt und eine zuverlässige Quelle für all jene Orte, zu denen sie Einlass bekamen, um ihr Licht zu verteilen. Suhrad Afassar selbst hatte jedoch alles bekommen, was sein Oberhaupt ihm aufgetragen hatte, er war bereit alles zu tun, um seinem grausamen Gott zu gefallen. Er wusste, dass sein bösartiger Verstand unter dem beständigen Wirken des Steines irgendwann zermürbt sein würde und auch dass andere kommen würden, um seinen Platz einzunehmen. Doch das bedeutete nichts im Vergleich zu der Grausamkeit seines Gottes, wenn er versagen würde. Er konnte sich im Stillen noch immer an den Eingeweiden seiner schwachen Menschen laben, welche er sich mit geschmeidiger Zunge und Gold Untertan machte, bis Xsorduhlas sein Zeichen gab.

Respektiert und gefürchtet durch seine Grausamkeit und sein unangefochtenes taktisches Verständnis, war es den Yuan Ti unter der Führung des Scheusals Xsorduhlas gelungen, die Menschen auszuspionieren. Nichts von diesem Erfolg konnte jedoch dem Scheusal den bitteren Nachgeschmack seiner zuvor erlittenen Niederlagen nehmen. Ein Kleriker des Tyr war ihm zuvorgekommen und hatte durch das Berühren des Steines mit seinen Gedanken und Absichten der Art der Magie des Himmelssteines einen eigenen magischen Abdruck mit all seinen Konsequenzen gegeben, ohne die Weitsicht eines Gottes jemals besessen zu haben. All das hatte bewirkt, dass die Bemühungen des Scheusals schließlich zum Erliegen gekommen waren. Unvorhersehbar hatte die Himmelsfrucht den Einfluss und die sorgfältige Manipulation der Goblinstämme enden lassen, welche Xsorduhlas zur Ablenkung der Menschen gegen die Stadt geschickt hatte. Unvorhersehbar hatte sie auch sein eigenes Volk getroffen. Viele seiner Späher, welche dem Wirken des Steines ausgesetzt wurden, erlitten Desorientierung bis sie beinahe unbrauchbar für den Tempel waren und Informationen über die Stadt immer seltener überbrachten, bis der Tempel neue schickte.

Einige Jahrzehnte hatte es gekostet, bis den Yuan Ti der Standort des Himmelsteines dargelegt wurde, was die Geduld des Scheusals auf harte Proben gestellt hatte. Erst durch den Ehrgeiz des Novizen Idras fand Xsorduhlas eine Antwort auf sein langes Warten. Ein junger Knabe, dessen Frömmigkeit und Glaubensverständnis bereits im Novizenstatus die vieler Kleriker des Tyr überstieg, galt gleichermaßen als Hoffnungsträger und als zu überheblich. Nur zu gern hätten die Tempeldiener den Übereifer des Novizen zu bremsen gewusst und entschieden, ihn mit dem Heranreifen zum Manne auf Pilgerreise über die Insel zu schicken. Eine unlösbare Aufgabe hatte man ihm in einer öffentlichen Zeremonie in der Stadt mit auf den Weg gegeben, damit er an dieser Aufgabe reifen würde und seine eigenen Grenzen erkannte. Als der Novize schließlich den Stadttoren den Rücken kehrte, verschwand er für die nächsten 4 Jahre aus dem Geschehen Mirhavens.

Es war im Jahre 1179, als ein erwachsen gewordener Mann in die Heimat zurückkam, die sich weniger verändert hatte als er selbst. Die Stadt strotzte vor Reichtum und viele fremde Schiffe vom Festland trieben noch immer mit neuen exotischen Dingen aus dem Festland im Hafen. Die Handelsstraßen waren befahren und jene, die das Zeichen des Tempels auf der Kleidung des Mannes erkannten, grüßten ihn mit Achtung. Die vergangenen 4 Jahre waren so schnell verklungen, dass nicht mehr als ein undurchsichtiger Schleier seine Erinnerungen trübte. Er wusste nicht mehr genau, was er getan hatte und wenn er versuchte sich zu erinnern, überkam ihn ein unwohles Gefühl.

Er war nicht mehr länger der unerfahrene Knabe, der im Schutze der Mauern der Stadt gelebt hatte und sich von den Dienern, die über ihm waren, herum schubsen ließ. Als seine Füße nach all dieser Zeit wieder auf dem Marmor des Tempels standen, hallte seine Stimme in dem Gemäuer des Tempels wieder. Aus voller Überzeugung und ohne Zorn in der Stimme forderte er Gerechtigkeit und Genugtuung für die verlorenen Jahre seiner vergeblichen Suche, die dazu gedient hatte, ihn nur auszubremsen. Der Klerus, der nach der überraschenden Wiederkehr von Idras keine gewonnene Reife in den Augen des Novizen erkannte, verweigerte seine Forderung. Nichts von den Antworten überraschte den Novizen und noch während er versprach, sich durch Taten Gehör zu verschaffen, ließ er eine Phiole auf dem Marmorboden des Tempels zerbersten.

Die Hallen und Gänge des Tempels wurden in nur kurzer Zeit von den giftigen farblosen Dämpfen erfasst. Nur Idras, der völlig eingenommen von seinen Überzeugungen war, die 3 Jahre lang dasselbe Gift ernährte, blieb von dem Gift der Phiole unverändert. Er kannte es bereits wie die Luft, die er atmete. Seine Schritte lenkten ihn in das Gewölbe des Tempels, denn seine Aufgabe erschien ihm als einziges so klar vor Augen, als hätte es niemals etwas Eindeutigeres gegeben. Für ihn gab es keinen Blick mehr zurück. Endlich angekommen beim Stein des Himmels, nahm Idras seinen Streitkolben in die Hand. Jene unter den Wachen des Tempelgewölbes, die noch gegen den giftigen Nebel rangen, waren zu durcheinander und um das Finden einer Ursache bemüht, als dass sie ein bekanntes Gesicht mit Misstrauen beäugt hätten, das noch dazu die Farben und Zeichen des Tempels trug. Andere anfälligere Tempeldiener wiederum, ihres Urteilsvermögens durch das Gift beraubt, vielen sich gegenseitig an die Kehle.

Idras hob seinen Streitkolben und schlug zu. Viele Schreie erfüllten den Tempel bis in die tiefen Abendstunden. Gelehrte und Kleriker liefen ziellos umher oder verbarrikadierten die Tempeleingänge, um Außenstehende von dem Gift fern zu halten, noch lange nachdem der letzte Impuls des Steines verklungen war. Nach fast einem Jahrhundert waren die Bewohner Mirhavens wieder frei von allen Einflüssen des Steines, ihren negativen Empfindungen ausgeliefert, in ihren Geschicken völlig auf sich allein gestellt.

Als in den Morgenstunden die Kleriker wieder zur Besinnung fanden, zeigte sich ihnen ein groteskes Bild in ihren eigenen Mauern. In ihrem widernatürlichen Wahn war ein heilloses durcheinander Entstanden. Viele der Männer und Frauen waren verwundet, nachdem sie sich gegenseitig bekämpft hatten. Andere standen in hitzigen Debatten mit sich selbst, die allmählich endeten, sobald ihre Körper das Gift überstanden hatten. Auch Tote hatten die Tempeldiener zu beklagen, zu denen auch der heimgekehrte Novize zählte. Tief unten im Gewölbe hatte sich durch die magische Explosion des Steines eine Vielzahl von Splittern in den Leib von Idras gebohrt, der mit einem entrückten Lächeln gestorben war. Auf keine der Fragen, die sich auf den Gesichtern der Tempeldiener abzeichneten, würde er mehr eine Antwort geben können. Auch Xsorduhlas wartete vergeblich auf die Rückkehr seiner Marionette - den Novizen mitsamt der Steinfragmente.

Das Wiegelied der Seele war verklungen, die Sorglosigkeit zerplatzt und der aufgehende Vorhang gab den Blick auf einen lange gelebten Traum von plastischer Zufriedenheit frei, der wie alles Leben vergänglich sein musste. Auch die Straßen der Stadt wurden mit den Wochen und Monaten gefährlicher. Eine wachsende Unruhe hatte die Stadt erfasst und fand ihren Höhepunkt in einer Massenhysterie, als die ersten Ermordeten seit Jahrzehnten die Gassen der Stadt säumten. Gerüchte schürten die Angst der Bewohner, berichteten von einem bösartigen ketzerischen Kult, der die Wachen in Atem hielt, die mit der Sicherung des Friedens auf der Straße beinahe überlastet waren.

Weitere Zwischenfälle, die zu allem Überfluss das Leben anderer Völker forderten, berührten die Außenpolitik empfindlich in den folgenden zwei Jahren. Die Handelsbeziehungen der Städte verschlechterten sich derartig, dass sie mit den Toten Hornbark Goldhammer und Lenwè Klagelied beinahe zum Erliegen kamen. Der Botschafter der Zwerge, Hornbark Goldhammer, der nach einer zähen Verhandlungen, ohne eine Einigung mit den Menschen zu erzielen, noch einen Abstieg in den Blutigen Eimer gewagt hatte, fiel einem Gift zum Opfer, das einen grausigen Anblick in jener Abstunde den Gästen darbot. Beinahe zeitgleich wurde nahe der Stadttore Mirhavens der elfische Händler Lenwè Klagelied auf seiner Heimreise niedergestochen. Als ertragreicher Händler in der Elfenstadt beliebt und für seine überteuerten Waren und teuflisch raffinierten Handelstricks bekannt, schürte es den Argwohn umso mehr, als sich sein Tod als offensichtlicher Raubmord erwies und die Spuren des Mörders sich in den Gassen der Stadt verloren.

Der Druck lastete groß auf den Schultern des Kommandanten der Stadtwache, welcher nun auch mit Vergeltung von Außerhalb rechnen musste, ohne die Ruhe innerhalb der Mauern wiederhergestellt zu haben. Selbst mit der Hinrichtung des Gastwirtes des Blutigen Eimers, so wusste Kommandant Nargoth, würde das Verlangen nach der Hinrichtung der Schuldigen für die Schandtaten der Stadt nicht enden. Aus der Dringlichkeit, dass etwas geschehen musste, erbat der Kommandant der Stadtwache schließlich die Fürsten um eine Bevollmächtigung, sämtliche Häuser der Stadt durchsuchen zu können. Er hatte jedoch keine Hilfe durch die Regierenden zu erwarten, welche seine Ängste nicht teilten und durch einen solchen Beschluss ihre eigene Machtposition gefährdet sahen, so dass sein Ersuchen nur auf taube Ohren stieß.

Noch immer waren der Stadtwache die Hände gebunden und durch ihre große Zahl erwies sich die Lumpengarde als effizient in dem Verwischen der Spuren des Kultes, der in ihr brütete. Nur einen Monat später setzte sich der Kommandant der Stadtwache über die Beschlüsse der Fürsten hinweg und spaltete die Stadtwache in zwei Lager. Unter der Ausrufung des Notstandes der Stadt, versuchte sich Nargoth die Freiheit zu verschaffen, die er für notwendig hielt. Der weit größere Teil der Stadtwache legte das Schwert nieder oder ließ sich dem direkten Befehl der Fürsten unterstellen. Der kleinere und wesentlich besser organisierte Teil der Wache durchsuchte in den Folgestunden der Aufspaltung gewaltsam die Häuser der Bürger oder lieferte sich Scharmützel mit ehemaligen Kameraden, die nun auf der anderen Seite standen.

Es war ein Verrat an der Stadt, ganz gleich aus welchen Motiven. Eine eher zufällige Fährte führte in einen der ärmeren Teile der Stadt und entlarvte einen der Yuan-Ti in den Kleidern der Lumpengarde, was mit Aushebung ihres Versteckes endete. Der Kampf erwies sich als kurz und verlustreich für die an zwei Fronten verlagerten Truppen Nargoths und führte, trotz eines bitteren unvollständigen Sieges gegen die Yuan-Ti, zu einer Zwangskapitulation des Kommandanten, der trotz allem gegen die Gesetze verstoßen hatte. Mit der Auflösung der Lumpengarde endeten die zahlreichen Morde der Stadt und gewährten einen Augenblick des Aufatmens. Doch die wütenden Schreie der Bürger, die sich durch die Entscheidungen des Kommandanten geschädigt fühlten, verklangen erst, nachdem Nargoth nach einigen Tagen des Prangers der Stadt für immer verwiesen wurde.

Über die Hintergründe des Erscheinens der Yuan-Ti wurde noch lange danach gerätselt und spekuliert. Der Tempel des Tyr proklamierte die Untersuchungen des Echsenunterschlupfes als heilige Queste für sich. Mirhaven hatte nicht viel Zeit, um sich nach den Ursprüngen und Absichten der Yuan-Ti zu kümmern, denn bereits weitere Übergriffe und Intrigen sollten die Stadt schwächen und führten schließlich in einen offenen Krieg der Städte gegen die schwarze Kobra, der bis zum heutigen Tag nicht beendet ist.